Tropenbotanik im Exil: Mona Lisa Steiner (1915-2000)
1938 flüchtete die österreichische Botanikerin Mona Lisa Steiner (1915-2000) vor nationalsozialistischer Verfolgung auf die Philippinen, wo es ihr innerhalb weniger Jahre gelang, sich eine neue Existenz aufzubauen und als Expertin für die tropische Flora der Philippinen zu etablieren. Nach ihrer Remigration nach Österreich 1965 beschrieb Steiner ihre Flucht in den pazifischen Inselstaat als eine botanische Expedition, die in den Aufbau eines Forschungsstandorts mit entsprechenden institutionellen, personellen und materiellen Ressourcen mündete. Tatsächlich hing die Forschung zur Physiologie und Artenvielfalt von Pflanzen aus (sub)tropischen klimatischen oder geographischen Regionen in den wissenschaftlichen Metropolen des mittleren Drittels des 20. Jahrhunderts hauptsächlich von Sammelobjekten aus botanischen Expeditionen ab, während in der wissenschaftlichen Peripherie einige Forschungsinstitutionen, wie beispielsweise botanische Gärten, intrinsische Studien mit endemischen Pflanzen an ihren natürlichen Standorten erlaubten. In beiden Fällen fungierte Tropenbotanik als Rahmen für einen globalen wissenschaftlichen und kulturellen Wissens- und Methodentransfer, was ebenso einen eminenten Einfluss auf viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens bedeutete. Das Bild einer profitablen wissenschaftlichen, politischen, kulturellen und ökonomischen Nutzung der Natur wurde geprägt durch die Katalogisierung von Pflanzen in sogenannte taxonomische Gruppen, die ebenso durch standardisiertes Wissen über ihre medizinischen, ernährungswissenschaftlichen und ökonomischen Anwendungsbereiche charakterisiert waren. Die Tropenbotanik innerhalb eines internationalen und interdisziplinären Forschungsnetzwerks und im Kontext eines fächer- und länderübergreifenden interkulturellen Wissenstransfers zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, der Nachkriegsjahre und der Dekolonisierung, folgte somit verschiedenen Forschungsschwerpunkten und Aktivitäten in wissenschaftlichen Zentren und in Randgebieten. Dasselbe lässt sich verfolgen in der wissenschaftlichen Tätigkeit Mona Lisa Steiners. Ihr wissenschaftlicher Arbeitsstil, der auch auf die speziellen historischen, sozialen, geschlechterbezogenen und politischen Bedingungen ihrer Ausbildung und Professionalisierung in der Epoche des Zweiten Weltkriegs und dem Exil von Wissenschaft zurückgeführt werden kann, soll anhand ihrer Forschungen im breiteren Kontext wissenschaftlicher Tätigkeit untersucht werden. In diesem Sinne fokussiert das geplante Forschungsprojekt auf die wissenschaftshistorische Analyse tropenbotanischer Forschung, gemeinsam mit den polyvalenten Phänomenen des globalen Wissens- und Pflanzentransfers im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts, vor dem Hintergrund spezifischer geschlechter- und exilhistorischer Perspektiven. Die leitenden Forschungsfragen des beantragten Projektes sind: Welchen Einfluss hatte der globale Wissens- und Methodentransfer auf die Agenden und Schwerpunkte tropenbotanischer Forschung einer österreichischen Botanikerin in den Philippinen? Inwiefern waren diese Entwicklungen an die (wissenschafts)historischen epistemischen, politischen und kulturellen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts gekoppelt?