Habsburgische Mobilitätskontrolle von osmanischen Migranten

Im 18. Jahrhundert setzte die Habsburgermonarchie eine Reihe von Maßnahmen zur Kontrolle der Mobilität von Migranten aus dem Osmanischen Reich. Diese Maßnahmen leiteten die Entwicklung von umfassenden Mobilitätskontrollen ein, die in vieler Hinsicht (Zentralisierung, Systematik, Einheitlichkeit, Individualisierung) nationalstaatliche Praktiken des 19. Jahrhunderts vorwegnahmen. Die Einführung staatsweiter Mobilitätskontrollen sollte deshalb früher angesetzt werden, als bisher angenommen wird.

Das Projekt untersucht, wie und warum die habsburgischen Behörden Migranten aus dem osmanischen Reich so umfassend kontrollierten. Es geht von der Annahme aus, dass sich die habsburgisch-osmanische Grenze in zwei Aspekten von anderen frühneuzeitlichen Grenzen unterschied: Zum einen durch die lange Tradition und insbesondere die im 18. Jh. erfolgende Modifikation der Militärgrenze; und zum anderen durch die Errichtung eines Seuchenkordons. Beide Institutionen bildeten Grundlagen für die Entwicklung einer modernen Mobilitätskontrolle und einer linearen Grenze. Der Zugriff der habsburgischen Zentralbehörden auf einreisende osmanische Untertanen erleichterte im Weiteren die Überwachung ihrer Niederlassung und ihrer Mobilität innerhalb der Monarchie.

Das Projekt kombiniert drei Forschungsfragen. Zum Ersten verfolgt es die Herausbildung einer stabilen und linearen Grenze nach der Befriedung der habsburgisch-osmanischen Beziehungen. Die Einrichtung eines permanenten Pestkordons schloss strikte Grenzkontrollen ein. Mit Hilfe der Aufzeichnungen der Quarantänestationen lässt sich die Entwicklung von fallweisen Seuchenkontrollen zu einer systematischen Immigrations- und Einfuhrkontrolle analysieren. Zweitens untersucht das Projekt die Überwachung von osmanischen Untertanen innerhalb der Monarchie, die zur Führung von Pässen verpflichtet waren und in speziellen Registern erfasst wurden. Insbesondere die Entwicklung der Reisedokumenten und Identifizierungsmethoden lässt moderne Formen der Mobilitätskontrolle erkennen. Schließlich analysiert das Projekt die Bedeutung all dieser Kontrollen für die habsburgische Bevölkerungspolitik im Allgemeinen. Dazu werden die zahlreichen Zählungen und Erhebungen der osmanischen Immigranten ebenso herangezogen wie die Gesetze und Dekrete, die ihren Status als Ausländer bzw. ihre Einbürgerung regelten. Mit allen diesen Maßnahmen stärkten die zentralen Behörden ihre Autorität gegenüber den lokalen Instanzen und den Ländern, und entwickelten Richtlinien für eine staatsweite Immigrationspolitik.

Das Projekt beruht überwiegend auf der Auswertung von administrativen Quellen von zentralen Behörden, Ländern und lokalen Instanzen, die sich heute in Archiven in Österreich, Ungarn, Kroatien, Serbien und Rumänien befinden. Zusätzlich werden unveröffentlichte zeitgenössische Berichte über den Pestkordon herangezogen. Aufgrund der Vorarbeiten lässt sich die Hypothese formulieren, dass die Kontrolle der osmanischen Immigranten in der Habsburgermonarchie des 18. Jahrhunderts die Entstehung einer modernen gesamtstaatlichen Migrationspolitik förderte – lange vor den westlichen Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts. 

 

Leiter / Leiterin: 
Josef Ehmer
Projektnummer: 
P 25656

Förschungsförderung: