Die Erzeugung von Arbeit

Moderne staatliche Sozialpolitik etablierte seit dem späten 19. Jh. Versicherungsschutz in bestimmten formalisierten Fällen von Nicht-Arbeit: im Alter, bei Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit. Damit gewann auch die Kontrolle von Anspruchsberechtigungen, von nationalstaatlicher Zugehörigkeit, Arbeitswilligkeit oder Arbeits(un)fähigkeit an Bedeutung. Die neuen Regulierungen von Arbeit und Nicht-Arbeit manifestierten neue Vorstellungen von Arbeit und Beruf. Mit Bezug auf die veränderte gesellschaftliche Bedeutung von Arbeit und auf neue soziale Rechte erlebten zugleich die Debatten über Landstreicherei, Bettelei und Arbeitsscheu einen neuen Aufschwung. Wem sollte geholfen werden? Wer schädigte hingegen durch Verweigerung von Arbeit das Gemeinwohl? Nicht jede Art, ein Einkommen zu finden, wurde gleichermaßen als Arbeit anerkannt. Viele Aktivitäten changierten zwischen Arbeit, Arbeitssuche, Nicht-Arbeit, Bettelei und Vagabundage. Sie wurden verdächtigt, Deckmantel für Arbeitsscheu oder "negative Arbeit" zu sein und gehörten damit zum umstrittenen Grenzbereich zwischen Wohlfahrt, Arbeitsmarkt und Kriminalität. Formen ungelernter und temporärer Lohnarbeit wurden in diesem Kontext (weiter) marginalisiert.

Das Projekt untersucht die umstrittenen Grenzen von Arbeit. Die Untersuchung konzentriert sich auf Österreich 1918-1938. Darüber hinaus wird jedoch ein internationaler Vergleich angestrebt und werden wesentliche Entwicklungstendenzen seit dem späten 19. Jahrhundert berücksichtigt. Bislang wurden die Veränderungen von Arbeit und die Entstehung staatlicher Wohlfahrtspolitik meist aus der Perspektive von Staat und Politik beschrieben. Das Projekt nimmt eine andere Perspektive ein: Es wird untersuchen, wie und gegen welche anderen Formen die letztlich dominanten Konzepte von Lohnarbeit und Beruf etabliert wurden. Wie variierte die Verbindlichkeit dieser Konzepte nach Alter, Geschlecht und Ethnizität? Auf welche Weisen wurde definiert, welche Praktiken Arbeit und welche Nicht-Arbeit waren? Wie wurden diese Unterschiede und Hierarchien praktisch durchgesetzt? Im Mittelpunkt der Untersuchung steht damit der Zusammenhang prekärer Formen von Lohnarbeit und Nicht-Arbeit mit der Organisation von Arbeitsmarkt, Arbeitsvermittlung und Arbeitssuche. Marginalisierte Perspektiven und Praktiken müssen daher wesentlich in die Analyse mit eingeschlossen werden. Besonderes Interesse verdienen dabei das Wandern von Arbeitslosen sowie die damit verbundenen Formen von Integration, Unterstützung und Kontrolle. Das Projekt wird somit die praktische Wirksamkeit von Arbeitsmarktpolitik untersuchen und ein besseres Verständnis von Kontrollen der Binnenmigration erlauben. Damit wird das Projekt in vielerlei Hinsicht wissenschaftliches Neuland erschließen und neue Perspektiven auf die Geschichte der Arbeit und des Sozialstaates eröffnen. 

 

Leiter / Leiterin: 
Sigrid Wadauer
Projektnummer: 
Y 367

Förschungsförderung: