30.11.2017

218. Institutsseminar: Edit Anna Lukács, Deus ab eterno scivit contingenter Antichristum esse futurum (11. 12. 2017)

Am Montag, den 11. Dezember 2017, findet ab 17.15 Uhr im Hörsaal des Instituts für Geschichtsforschung das 218. Institutsseminar des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung statt. Es spricht Edit Anna Lukács, Inhaberin einer Elise-Richter-Stelle am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, zum Thema:

Deus ab eterno scivit contingenter Antichristum esse futurum

Abstract: Dieser Vortrag versteht sich als eine Art Abschlussbericht über das seit April 2014 am Institut für Österreichische Geschichtsforschung durchgeführte FWF-Forschungsprojekt V356-G19 „Oxforder Theologie an der Universität Wien: die Doktrin des göttlichen Wissens (1384–ca. 1420)“. Der Vortrag ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden stichwortartig die wichtigsten handschriftlichen Entdeckungen des Projekts beschrieben: 1) zwei questiones aus der Ordensschule der Wiener oder Prager Augustiner-Eremiten, ca. 1370; 2) die einzigartige Sammlung von öffentlichen Disputationen und von dazugehörigem Hilfsmaterial – der rapellarius – des Andreas von Weitra, die die Angaben aus dem Ms. lat. 162 der Houghton Library der Harvard University (Cambridge, MA) ergänzt; 3) Fragmente aus Nikolaus von Dinkelsbühls nicht erhaltenen principia zu den Sentenzen; 4) das neue Überlieferungsmodell der Sentenzenkommentare der „Wiener Gruppe“ aus der Handschrift der einzelnen Theologen; und 5) schließlich der Briefwechsel in einer Handschrift aus dem Besitz des Nikolaus Cusanus, in dem der zukünftige Papst Nikolaus V. über die Kritik des Heinrich von Langenstein an Thomas Bradwardine berichtet.

Im Anschluss an diesen letzten Punkt werden im zweiten Teil des Vortrags zusammenfassend Thesen über das Corpus der Wiener Theologie präsentiert, das in diesem Projekt zum ersten Mal überhaupt eine Beschreibung gefunden hat, überdies noch einen größeren Zeitraum umfassend: die Bibelkommentare, die an der Wiener Theologischen Fakultät von 1384 bis 1419 Gegenstand der Vorlesungen waren. Stets auf Grundlage der handschriftlichen Zeugnisse wird gezeigt, dass die Wiener Theologie schon beginnend mit Heinrich Totting von Oytas Psalmenkommentar, dann in Heinrich von Langensteins wortgewaltiger Genesisauslegung und in Lambert von Gelderns ausgedehnter Exegese der Kleinen Propheten aus der Oxforder Theologie des 14. Jahrhunderts den mächtigsten Kontrahenten ihrer theologischen Rationalität und Bibelhermeneutik konstruierte. Der Begriff der necessitas antecedens von Thomas Bradwardine, der lügende Gott von Adam Wodeham, der getäuschte Christus von Robert Holcot wurden an der Wiener Theologischen Fakultät zu einer eigenartigen Häresie kombiniert. Neben der in der „Wiener Schule“ vertretenen Doktrin der Kontingenz der Zukunft – wie sie in Langensteins im Vortragstitel zitierter Aussage über das erwartete Weltende ausgedrückt ist – und einigen Wiener Trugschlüssen („quod Deus sit rana, quod Deus sit cauda por**“ u. Ä.) werden auch Neues und Korrekturen (vgl. Shank 1988) zum Verwerfen syllogistischer Argumentation über die Dreifaltigkeit und zu einem religiösen Diskurs mit der jüdischen Gemeinde (oder eher über „schlechte“ jüdische Logiker und jüdische vs. christliche Bibelexegese) präsentiert.

Die Veranstaltung ist wie alle Institutsseminare öffentlich, Gäste sind herzlich willkommen. Die Einladung im PDF-Format gibt es hier.