Aktenedition: Österreich und die Deutsche Frage 1987-1990

Das vorliegende Projekt strebt eine Aktenedition zum Thema "Österreich und die deutsche Frage 1987-1990" an. Mittlerweile liegen Editionen britischer, deutscher, französischer und sowjetischer Akten vor. Dagegen steht eine Erforschung der Haltung Österreichs aus. Dieses Desiderat kann nun infolge jüngster Aktenfreigaben erfüllt werden. Das Projekt reiht es sich in die anhaltenden internationalen Arbeiten zu diesem Themenkomplex ein. Während bei den bisherigen Editionen der Fokus auf den Jahren 1989/90 lag, geht dieses Projekt etwas weiter zurück.

Das deutsch-deutsche Verhältnis war von den internationalen Zerwürfnissen der ersten Hälfte der 1980er Jahre weitgehend verschont geblieben. Die Beziehungen hatten sich auf allen Ebenen weiter intensiviert, was eine größere Abhängigkeit der DDR von der Bundesrepublik zur Folge hatte. Vom 7. bis 11. September 1987 absolvierte DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker seinen langersehnten Besuch in Bonn, der nicht nur als Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erscheinen, sondern auch die deutsche Zweistaatlichkeit besiegeln sollte. Angesichts dieser Entwicklung stand der Fortbestand zweier deutscher Staaten auch im November 1989 für kaum jemanden in Frage. In Österreich war 1987 eine Große Koalition bestehend aus der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) gebildet worden. Fortan wurde eine verstärkte Europa- und Integrationspolitik verfolgt. Dieser Befund ist insofern relevant als die Haltung dritter Staaten zur deutschen Frage nicht losgelöst von ihrer Europa- und Integrationspolitik betrachtet werden kann. So erscheint das Jahr 1987 als sinnvolle Zäsur um den rasanten Wandel auch der Haltung Österreichs im Kontext der deutschen Einheit im Oktober 1990 dokumentieren und rekonstruieren zu können.

Dies wird primär anhand der auf Antrag des Projektleiters freigegeben Akten des österreichischen Außenministeriums erfolgen. Der Großteil der Dokumente umfasst Einschätzungen und Gesprächsvermerke zu den Entwicklungen in der DDR, des deutsch-deutschen Verhältnisses und der internationalen handels-, macht-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Dimension des deutschen Einigungsprozesses. Zudem existieren umfangreiche Materialien zu den Beziehungen Österreichs mit beiden deutschen Staaten. Insbesondere die Quellen zur uneinheitlichen Haltung der österreichischen Regierung (mit ihren Hauptproponenten Bundeskanzler Franz Vranitzky/SPÖ und Außenminister Alois Mock/ÖVP) zwischen Spätherbst 1989 und Frühjahr 1990 bieten detailliertes und nuanciertes Analysematerial. Ergänzend werden relevante ost- und westdeutsche Dokumente, sowie Akten aus Partei- und Privatarchiven herangezogen.
Das Hauptaugenmerk liegt auf folgenden Fragestellungen: Wie beurteilte die österreichische Diplomatie die Entwicklung der DDR und des deutsch-deutschen Verhältnisses in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre? Wie entwickelten sich vor diesem Hintergrund die bilateralen Beziehungen zu beiden deutschen Staaten? Welche Rolle und Haltung nahm Österreich als Akteur und Perzipient in den Jahren 1989/90 (Fluchtwelle, Mauerfall und deutscher Einigungsprozess) ein? 

Leitung: Michael Gehler

 

Projektnummer: 
P 26439

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