02.01.2018

219. Institutsseminar: Daniel A. Di Liscia, Die Formlatitudenlehre und die Verbindung zwischen Mathematik, Naturphilosophie und Logik an der Wiener Universität des Spätmittelalters (15. 1. 2018)

Am Montag, den 15. Januar 2018, findet ab 17.15 Uhr im Hörsaal des Instituts für Geschichtsforschung das 219. Institutsseminar des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung statt. Es spricht Daniel A. Di Liscia vom Munich Center for Mathematical Philosophy an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Thema:

„Die Formlatitudenlehre und die Verbindung zwischen Mathematik, Naturphilosophie und Logik an der Wiener Universität des Spätmittelalters“

Abstract: Das späte 14. und zum großen Teil das 15. Jahrhundert können nicht nur in sozialpolitischer Hinsicht als eine „Zeit des Umbruchs“ bezeichnet werden, sondern auch, wenn man das Zusammenspiel von Mathematik, Naturphilosophie und Logik berücksichtigt, in epistemologischer Hinsicht. Zu einem ersten Umbruch kam es am Anfang des 14. Jahrhunderts bei den Oxford-calculatores, als diese die Anwendung der Mathematik auf die Naturphilosophie förderten und zugleich die Logik mit mathematisch-naturphilosophischen Inhalten ergänzten. Zu einer zweiten Wende kam es dann, als Nicole Oresme bei der Entwicklung seiner „configurationes-Lehre“ die Geometrie als Basis einer ganz neuen Disziplin übernahm. Dieser geometrisierende Ansatz ist auch in dem kürzeren Tractatus de latitudinibus formarum vorhanden, einem Text, der mehr als jeder andere die Weiterentwicklung dieses Ansatzes geprägt hat. Hierbei kommt der Wiener Universität, wo alle Ideen der Calculatores-Tradition gut bekannt waren und wo insbesondere dieser Text eifrig studiert, gekürzt und kommentiert wurde, eine entscheidende Rolle zu. In der Lehre kristallisierte sich eine neue, einzigartige Disziplin heraus: die sogenannte Wissenschaft der Formlatituden (scientia de latitudinibus formarum).
In meinem Vortrag werde ich auf die historische Entwicklung und den epistemologischen Hintergrund dieser Disziplin eingehen. Dabei werde ich eine Reihe von bisher kaum bekannten Dokumenten zur Sprache bringen, die uns genauer zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die Wiener magistri sich beschäftigt haben, und diskutieren, wo die Grenzen der spätmittelalterlichen Universitätsausbildung bei der Gründung einer neuen Disziplin lagen.

Die Veranstaltung wird von Edit Anna Lukács moderiert. Sie ist wie alle Institutsseminare öffentlich, Gäste sind herzlich willkommen. Die Einladung im PDF-Format gibt es hier.