05.10.2015

*Der Alltag der (Un)Sicherheit. Ethnographisch-kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die Sicherheitsgesellschaft

Bereits gegen Ende der 1970er Jahre wies Michel Foucault auf die Formierung 

der "Sicherheitsgesellschaft" hin: Hellsichtig verwies er darauf, wie die 

historischen Regierungsweisen des Gesetzes und der Disziplin durch die 

Versprechen von Sicherheit und Freiheit fortgeschrieben, flexibilisierte 

Mechanismen der Kontrolle und Angsterzeugung alle Bereiche alltäglicher 

Milieus durchdringen würden.

 

Foucault beschrieb diese Machttechniken der Sicherheit als historische Effekte 

des wirtschaftlichen Liberalismus, beobachtete sie jedoch auch in staatlichen 

Reaktionen auf den Terrorismus. Inzwischen ist "Sicherheit" aus 

unterschiedlichen interdisziplinären Blickwinkeln zum Leitbegriff etwa der 

Gouvernementalitäts- und Securitization-Forschung oder der Anthropologie der 

Sicherheit geworden. Zugleich bestimmen Begriffe und Konzepte im Themenfeld 

der "Sicherheit" spätestens seit

9/11 auch öffentliche Wahrnehmungen und Diskurse etwa zu Kriminalität, 

Religion oder Migration.

 

Anders als in den angelsächsischen Ländern sind jedoch die alltagspraktischen 

Normalisierungen und Subjektivierungen des Sicherheitsdispositivs und sein 

Eindringen in private und intime Sphären noch kaum in der deutschsprachigen 

öffentlichen und kulturwissenschaftlichen Diskussion verankert. Unter 

kulturanthropologischen und historischen Fragestellungen möchte sich die 

Tagung daher aus zwei Richtungen der Thematik des Alltags der (Un)Sicherheit 

annähern: zum einen aus der Perspektive von Politik und Institutionen, und zum 

anderen aus dem Blickwinkel von AlltagsakteurInnen. Gezeigt werden soll, wie 

Erfahrungen und Imaginationen von Sicherheit und Bedrohungen entstehen und 

tradiert werden, wie sie in Politiken und Werkzeuge übersetzt werden und als 

solche wiederum Alltagspraktiken informieren.

 

Die Tagung zielt darauf ab, Forschende aus Europäischer Ethnologie/ 

Kulturanthropologie/ Volkskunde und verwandten Fächern zusammenzubringen, die 

sich aus einer spezifischen theoretischen und/oder methodologischen 

Perspektive dem Thema Sicherheit widmen. Im Spannungsfeld zwischen "Security" 

und "Safety" bewegen sich die Themen zwischen Forschungen zu institutionellen 

und gouvernementalen Maßnahmen und Vorstellungen zum privaten und körperlichen 

Wohlergehen.

Entsprechend stellen sich jeweils Fragen nach Referenzpunkten, Intentionen, 

Akteuren, nach Diskursen und Narrativen, Subjektivierungsprozessen und 

institutionellen Verankerungen von Sicherheit.

 

*Tagungsgebüh*r: ? 30,00 / Studierenden-Ermäßigung: ? 15,00

 

*Information und Hinweise zur Anmeldung*: http://volkskunde.uni-graz.at

 

*Organisation: *Prof. Dr. Katharina Eisch-Angus (Institut für Volkskunde und 

Kulturanthropologie der Uni Graz), Dr. Alexandra Schwell (Institut für 

Europäische Ethnologie der Uni Wien)**

 

**

 

*Kontakt, Anmeldung*: volkskunde(at)uni-graz.at. Wir bitten um Anmeldung bis 

spätestens 26.10.2015

 

 

*PROGRAMM:

*

*Freitag, 06.11.2015

*

09:00 - 09:15 Eröffnung

 

09:15 - 10:00 *Keynote *

Mark Maguire (Maynooth): Sensing Evil: Counterterrorism techniques and 

techno-science.

 

10:00 - 10:30 Kaffeepause

 

10:30 - 12:15 *Panel  1: Kontrollregime* (Moderation: Burkhard Pöttler)

 

Michal Chvojka: Zur Kreierung eines Foucault'schen Panoptikons. Soziale und 

politische Kontrolle in der Habsburgermonarchie während der napoleonischen 

Kriege und  des Vormärz.

 

Stefan Groth: "Kein sichereres Mittel existirt zur Abwehr von allem

Lupengesindel": Zur Technisierung und Legitimierung von Sicherheits- und 

Kontrollregimen um 1900.

 

Anna Katharina Dombrowski: Die iranische Cyber-Police als Fortführung der 

staatlichen Sicherheitssidee.

 

12:15 - 13:45 Mittagspause

 

13:45 - 15:30 *Panel 2: Strategien* (Moderation: Barbara Frischling)

 

Christoph Paret: Empowerment durch Provokation? Ermächtigungspraktiken an der 

Grenze von Selbstsicherheitstraining und Verunsicherung.

 

Sophia Booz: Sicherheit durch Zerstörung. Aktenvernichtung als Herstellung von 

Sicherheit(en).

 

Niklas Barth: Unsicherheit als Ressource. Der Hausarzt und das moderne 

Sicherheitsdispositv.

 

15:30 - 16:00 Kaffeepause

 

16:00 - 17:15 *Panel 3: Subjekt und Emotion* (Moderation: Katharina

Eisch-Angus)

 

Alexandra Schwell: Sicherheit und Angst. Überlegungen zu einem scheinbar ganz 

natürlichen Zusammenhang.

 

Laura Thurmann: Alltägliche Unsicherheiten. Sexuelle Gewalt als 

Sicherheitsrisiko für forschende Frauen.

 

 

*Samstag, 07.11.2015

*

09:00 - 09:15 Eröffnung

 

09:15 - 10:00 *Keynote*

Werner Schiffauer (Frankfurt/Oder): Islampolitik im Spannungsfeld von 

Sicherheit und Integration. Das bürokratische Feld anhand von 

Auseinandersetzungen zur muslimischen Gefängnisseelsorge in Berlin.

 

10:00 - 10:30 Kaffeepause

 

10:30 - 12:15 *Panel  4: Migration* (Moderation: Judith Laister)

 

Maria Schwertl: "Eurosur - Dein Feind und Helfer". Diskussionen und 

Genealogien des neuen europäischen Grenzüberwachungssystems.

 

Lee Hielscher: Endstation der Geduld. Erkundungen in der Polizisierung des 

Sozialen.

 

Sarah Nimführ: Alltag im Dazwischen. Über nicht abschiebbare Geflüchtete auf 

Malta.

 

12:15 - 13:45 Mittagspause

 

13:45 - 15:30 *Panel 5: Übergangsräume und Verkehr* (Moderation: Johanna

Rolshoven)

 

Kai Nowak: "Hör auf deine Frau - fahr' vorsichtig!" Historische Perspektiven 

auf die Sphäre des Privaten in der Verkehrssicherheitsarbeit.

 

Gerrit Herlyn: No Fly Lists, Passagierdifferenzierung, Trusted Traveler.

Zur Kulturanalyse datenbasierter Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen.

 

Katharina Eisch-Angus: Germanwings und das Ethnografieren der Sicherheit.

 

15:30 - 16:00 Kaffeepause

 

16:00 - 17:30 *Roundtable* (Moderation: Alexandra Schwell)

 

**

 

*Wessen Sicherheit? Perspektiven im Alltag der (Un)Sicherheit*

 

Im Alltag treffen Ängste, Interessen und Erfahrungsweisen subjektiver und 

institutioneller Sicherheit aufeinander, hier werden sie mit ihren 

Widersprüchen und wechselnden Perspektiven verhandelt. Expertinnen und 

Experten aus Gesellschaftswissenschaft und Kulturanthropologie, angewandter 

Sicherheitsforschung und kommunaler Praxis diskutieren zu aktuellen Fragen.

 

U.a. mit Nils Zurawski/Universität Hamburg, Wolfgang Benedek/Universität 

Graz-Forschungsplattform "Menschenrechte, Demokratie, Diversität und Gender"